Was sucht ihr?
Liebe Gemeinde,
Brian, ein Banker aus New York, der in den 80er Jahren an der Börse ein Vermögen verdient hatte, führte ein Leben wie im Film: in der Park Avenue besaß er eine luxuriöse Wohnung mit Blick auf die Skyline von Manhattan, in den Hamptons ein schlossähnliches Sommerhaus und in Vail/Colorado eine "kleine" Wohnung für spontane Skitrips. Ansonsten jettete er um die Welt, um Geschäfte anzubahnen. Brian, so schien es, war ein glücklicher, weil wohlhabender, angesehener und erfolgreicher Mann. Ein Mann, der alles hatte. Eines Tages wurde Brian entlassen. Im Vorstand seiner Bank hatte es einen Machtkampf gegeben, in den er auch verwickelt war und den er verloren hatte. Einige Zeit später traf er sich mit einem ehemaligen Mitarbeiter. Nach anfänglichem Smalltalk redete Brian Klartext: Wie er in den 80 er Jahren an der Börse ein Vermögen verdient hatte, wie er die Karriereleiter in Rekordgeschwindigkeit hochgeklettert war, dass er im Prinzip finanziell bis an sein Lebensende ausgesorgt hatte. Aber auf die Frage, wie es mit ihm und seinem Leben jetzt weiter gehen sollte, darauf hatte Brian keine Antwort. Wie die meisten Banker der oberen Etagen in New York war auch Brian geschieden. Zu seinen Kindern hatte er fast keinen Kontakt. „Ich wollte immer nur arbeiten, arbeiten, arbeiten“, sagte er. „ Und jetzt ist keiner da, mit dem ich mein Leben teilen könnte.“[1]
Was sucht ihr? Das ist das Motto dieses Gottesdienstes. Was sucht ihr? Was suchte Brian? Was suchen Sie? Wohlstand, einen guten Beruf, ein intaktes Familienleben? Wenn diese drei Punkte in Ihrem Leben vorhanden sind oder vorhanden wären, wären Sie dann wunschlos glücklich? Oder würde trotzdem noch irgendwas fehlen? Was sucht ihr?
Ich war vor einem Monat bei einer großen Konferenz der anglikanischen Kirche in London. Dort wurde auch Bobbie Cheema interviewt, eine aus einer armen, indischen Einwandererfamilie stammenden Frau, die es durch viel Fleiß geschafft hat, heute eine der höchsten Staatsanwältinnen Englands zu sein. Bobbie Cheema erzählte, wie sie einmal als Schülerin über einen großen Platz ging, auf dem eine Kirchengemeinde ein Zelt aufgeschlagen hatte zur Zeltmission. Bobbie ging rein und die Christen erzählten ihr, dass man durch Jesus zu Gott eine Beziehung aufbauen kann. Dass man diesbezüglich aber eine Entscheidung treffen muss. Will ich ein Freund von Jesus sein, will ich, dass Jesus mein Freund ist oder will ich das nicht? Bobbie entschied sich, ein Freund von Jesus sein zu wollen. Aber das kostete einen Preis. Ihre Eltern, die zur indischen Religion der Sikhs gehörten, waren geschockt. Sie verboten ihr, zum Gottesdienst in eine Kirche zu gehen. Zum Glück konnte Bobbie in der Bibel lesen. Die Worte der Bibel waren spirituelle Nahrung für ihre Seele. „Ich finde es überwältigend“, sagte Bobbie Cheema, „dass Jesus im Johannesevangelium (Joh 15,13-15) sagt, dass er unser Freund sein will. … Als ich Christ wurde“, fuhr sie fort, „ hatte ich das Gefühl, es kommt jemand in das dunkle Zimmer meiner Seele und macht das Licht an. Und das Licht ist nicht mehr weggegangen.“
Was sucht ihr? Ein Freund von Jesus zu sein, durch ihn eine Beziehung zu Gott zu haben, so dass im Zimmer ihrer Seele ein Licht angezündet wird, könnte das eine Antwort sein? Könnte das zumindest eine erste Antwort sein?
Was sucht ihr? Dieser Satz steht in der Bibel (Lukas 24,5). Und er hat dort eine Fortsetzung: „Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten?“ Zwei Männer in glänzenden Kleidern sagen diesen Satz zu Maria Magdalena und zu den anderen Frauen, die nach der Kreuzigung von Jesus nach seinem Grab sehen wollen und das Grab leer vorfinden. „Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten. Er ist nicht hier. Er ist auferstanden, wie er gesagt hat.“ Kurze Zeit später geht der auferstandene Jesus mit zwei Jüngern mit, die von Jerusalem nach Emmaus gehen, ohne dass sie Jesus erkennen. Erst als sie in einem Haus einkehren und er das Brot brach, wurden ihre Augen aufgetan, aber da entschwand er auch schon ihrem Blick. Da sagten sie zueinander: „ Brannte nicht unser Herz in uns, als er mit uns redete auf dem Wege und uns die Schrift öffnete?“ Brannte nicht unser Herz? Wenn unser Herz nicht brennt, dann suchen wir vielleicht an den falschen Orten. Dann suchen wir vielleicht beim Zeitgeist oder beim Himbeergeist und noch schlimmer beim Poltergeist. (War Thema des Theaterstücks im Gottesdienst.) Brian – so glaube ich – suchte bei einer bestimmten Form des Zeitgeistes. „Ich wollte immer nur arbeiten, arbeiten, arbeiten“, sagte er. Damit will ich nichts gegen fleißige Arbeit sagen. Im Gegenteil. Ich halte fleißige Arbeit für sehr wichtig. Aber wenn die Arbeit alle anderen wichtigen Bereiche des Lebens verdrängt, so dass diese Bereiche verkümmern oder gar absterben, dann stimmt etwas nicht. Es gibt in der Bibel einen engen Zusammenhang zwischen dem richtigen tot sein und dem tot sein mitten im Leben, wo alles so vor sich hin plätschert und man ähnlich wie Brian keinen richtigen Sinn mehr im Leben sieht. „Wach auf, der du schläfst und steh auf von den Toten, so wird dich Christus erleuchten“, heißt es im Epheserbrief (5,14). Jesus hat uns den Heiligen Geist verheißen, der lebendig macht. (Z.B. Apg 1,8) Als Jesus starb, waren die Jünger am Boden zerstört. Und auch nach seiner Auferstehung waren sie noch nicht Feuer und Flamme. Feuer und Flamme waren sie erst an Pfingsten. Und ausgerechnet Petrus, der Jesus dreimal verleugnet hatte (Mk 14, 66–72), ausgerechnet dieser Petrus wird so sehr vom Heiligen Geist erfüllt, dass er an Pfingsten vor unzähligen Menschen eine solch bewegende Rede hält, dass sich 3000 Menschen an diesem Tag taufen lassen. (Apg 2, 14-41)
Gibt es so etwas heute auch noch, dass der Heilige Geist Menschen so sehr ergreifen kann, dass die Vergangenheit, die z.T. unrühmliche Vergangenheit keine Rolle mehr spielt und man mit sich im Reinen, selbstbewusst, vielleicht sogar vollmächtig durchs Leben geht?
Billy Graham, der 95 jährige amerikanische Evangelist, der vor so vielen Menschen das Evangelium verkündigt hat wie kein anderer, hat als junger Mann auf einer Vortragsreise in Großbritannien einen walisischen Prediger namens Stephen Olford kennen gelernt, der geistliche Qualitäten hatte, die Billy Graham nicht hatte. „Er hatte eine Dynamik an sich“, erinnert sich Billy Graham, „eine Frische, von der ich auch etwas haben wollte.“ Eines Tages hörte Billy Graham eine Predigt von Olford über den Heiligen Geist. Nach der Predigt sprach Graham Olford an und sagte: „ Du hast von etwas gesprochen, was ich nicht habe. Ich möchte die Fülle des Heiligen Geistes auch erleben.“ Olford berichtet: „Ich schilderte ihm, wie Gott mein Leben vollkommen umgekrempelt hatte – eine Erfahrung des Heiligen Geistes in seiner Fülle; eine neue Berufung. Als ich so redete“, fuhr Olford fort, „ ich sehe es noch genau vor mir, da füllten sich seine Augen mit Tränen und er sagte: ‚Stephen, ich sehe schon – das ist es, was ich will. Das brauche ich in meinem Leben.‘“ Olford schlug vor, sie sollten ‚das durchbeten‘ und die beiden Männer knieten auf dem Boden. In einem Gebet der restlosen Hingabe an den Herrn schüttete Billy Graham Gott sein Herz aus. Schließlich sagte er: „Mein Herz ist regelrecht überflutet mit dem Heiligen Geist“, und die Männer wechselten im Gebet vom Bitten zum Danken. Dann stand Billy Graham auf, ging im Zimmer auf und ab und sagte: „Ich hab’s! Ich bin erfüllt. Das ist ein Wendepunkt in meinem Leben.“ An jenem Abend war aus Gründen, die Gott allein kennt, der am Vortag nur schwach besetzte Saal bis auf den letzten Platz besetzt. Als Billy Graham ans Rednerpult trat, war der Mann eindeutig mit Vollmacht ausgestattet.“[2]
Was sucht ihr? Erfüllung mit dem Heiligen Geist? Ja, ich suche das. Genauer: Ich suche das wieder. Denn ich glaube sagen zu können, dass ich das zweimal in meinem Leben erlebt habe, jeweils nach langem intensivem Gebet. Was sucht ihr? Wenn jetzt, liebe Gemeinde, Ihr Herz brennt, dann ist – so glaube ich – der Heilige Geist bei Ihnen an der Arbeit und will Ihnen den Weg zeigen, wo sie suchen sollen. Gehen Sie zu Hause auf die Knie. Schütten Sie Gott Ihr Herz aus, egal was in Ihrer Vergangenheit passiert ist und welche Wunden und Narben Sie tragen. Und wenn Gott Ihnen die Gnade gewährt und Sie mit seinem Heiligen Geist erfüllt, dann lassen Sie sich aussenden, lassen Sie sich aussenden, um anderen Menschen von diesem wunderschönen Erlebnis zu erzählen, ein Erlebnis, von dem ich glaube, dass es ein Vorgeschmack darstellt auf das ewige Heil, das Gott allen Menschen schenken möchte, ein Vorgeschmack auf den von Gott verheißenen Frieden, der höher ist als alle Vernunft. Amen.