Wer ist dieses Kind?

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Liebe Gemeinde![1]


Haben Sie Ihre Weihnachtsgeschenke schon alle zusammen? Ich kenne eine Familie, die hat es diesbezüglich etwas leichter. Die Mitglieder dieser Groß-Familie haben vor einigen Jahren beschlossen, dass an Weihnachten nur noch die Kinder etwas geschenkt bekommen. Die Erwachsenen bekommen keine Geschenke mehr. Hintergrund ist, dass die meisten Mitglieder dieser Familie zwischen Oktober und Januar Geburtstag haben. Und um den Geschenkefindungsstress zu halbieren, haben die Mitglieder dieser Familie eben beschlossen, dass die Erwachsenen an Weihnachten keine Geschenke mehr bekommen.

So sehr ich die Argumentation nachvollziehen kann – meine Sache ist das nicht. Geschenke gehören für mich zu Weihnachten dazu. Dabei muss es nichts großartiges sein. Die Geste zählt. Als ich in Bonn studiert habe, habe ich zwei Jahre in einem Studentenwohnheim gewohnt, in dem damals auch eine Austauschstudentin aus den USA lebte. Über Weihnachten fuhren fast alle Studenten nach Hause. Die Amerikanerin war fast die einzige, die alleine im Hotel zurückblieb. Als ich selbst meine Studentenzimmertür zuschloss, um nach Hause zu fahren, habe ich sie gesehen, wie sie den Flur geputzt hat. Sie sah traurig aus. Ich ging zu ihr hin, wünschte ihr frohe Weihnachten und überreichte ihr ein kleines Geschenk, das ich kurz vorher für sie eingepackt hatte. Ihre Gesichtszüge haben sich sofort erhellt. Meine Geste hatte ihr gut getan.

Warum schenken wir uns an Weihnachten etwas? Der ursprüngliche Grund liegt darin, dass wir damit Gottes Liebe weitergeben. Den Kindern sagen wir ja auch, dass die Geschenke vom Christkind sind. Und in gewisser Weise stimmt das ja auch. Wir geben die Liebe des Christkinds weiter an die Kinder. Der erste Bibelvers, den ich als Konfirmand auswendig gelernt habe bringt diesen Geschenkcharakter von Weihnachten treffend zum Ausdruck: „Denn so sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, auf dass alle, die an ihn glauben, nicht verloren gehen, sondern das ewige Leben haben.“ (Johannes 3, 16) Wenn ich gefragt würde: Was ist für dich der wichtigste Aspekt am christlichen Glauben, dann würde ich antworten: Dass Gott die Welt liebt. Und er  hat seinen Sohn Jesus Christus geschickt, damit er uns in all seinen Facetten zeigt, was Liebe bedeutet. Ein wesentliche Aspekt besteht darin, dass Jesus uns seine Gemeinschaft anbietet. Bill Hybels, der Gründer und Hauptpastor  der Willow Creek Gemeinde hat in einem Vortrag mal gesagt, dass er die Gegenwart von Jesus Christus sofort gespürt hat, als er ihm sein Leben anvertraut hat. „Ich gehe in manche Situation, die furchterregend ist“, fuhr er fort, „aber ich gehe nicht allein.“ Dem Königsberger  Philosophen Immanuel Kant wird der Satz zugesprochen: „Ich habe in meinem Leben noch nichts tröstlicheres gefunden als die vier Worte aus Psalm 23: „Du bist bei mir.“  Aber um die Gegenwart von Jesus zu spüren, müssen wir einen Schritt auf ihn zugehen. Das ist letztlich auch die Botschaft des Theaterstücks. Und diese Gemeinschaft, sie soll halten bis in die Ewigkeit. „... damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren gehen, sondern das ewige Leben haben.“ Bill Hybels hat in jenem Vortrag auch gesagt, dass er mehrfach in seinem Leben dem Tode nahe war; dass er aber keine Angst hat vor dem Tod, weil Jesus den Tod besiegt hat.

 

Als Jesus geboren wurde, waren die äußeren Umstände äußerst schwierig. Das Matthäus-Evangelium berichtet, das der jüdische König Herodes dem neugeborenen Jesus nach dem Leben trachtete, weil er einen anderen Herrscher außer dem römischen Kaiser, dem römischen Caesar Augustus keinen anderen Herrscher über sich dulden wollte. Als die drei Weisen aus dem Morgenland zu Herodes kamen und ihn nach dem neugeborenen König der Juden fragten, muss er sich gedacht haben: Wer ist dieses Kind?

Als Jesus gekreuzigt wurde, schien die Bewegung, die mit ihm begann zu Ende zu sein. Aber unter der Führung seines Geistes machten Männer wie Petrus, Paulus, Jakobus und Johannes und später auch Männer wie Timotheus und Titus weiter. Ja, dann ging es erst richtig los. Trotz z.T. härtester Christenverfolgung unter römischen Kaisern wie Nero konnte sich das Christentum bis etwa zum Jahr 325 n.Chr. absolut friedlich im römischen Reich ausbreiten, so dass bis zu diesem Zeitpunkt etwa 10 % der Bevölkerung des römischen Reiches gläubige Christen waren. Heute geben wir unseren Kindern Namen wie Christina oder Petra, Paul, Jakob, Johannes oder Timo und unsere Hunde, die nennen wir Caesar oder Nero. Wer war dieses Kind in der Krippe, ohne dessen Einfluss die Welt heute nicht so wäre, wie sie ist? Ohne Jesus gäbe es keinen Paulus, keinen Martin Luther, keinen Martin Luther King, keinen Franz von Assisi. Ohne Jesus hätte es die friedlicher Revolution in Deutschland nicht gegeben, die ihren Kristallisationspunkt in den Montagsgebeten in der Leipziger Nikolaikirche hatte. Ohne Jesus keine Menschenrechte. Der griechische Philosoph Aristoteles hatte ungefähr 350 Jahre vor Jesus die Meinung vertreten: „dass einige herrschen und andere beherrscht werden, ist nicht nur nötig, sondern auch vorteilhaft; bereits von der Stunde ihrer Geburt an sind einige für die Unterordnung und andere zur Herrschaft ersehen.“[2] Der amerikanische Politiker Thomas Jefferson, der 1776 die amerikanische Unabhängigkeitserklärung verfasst hat, ließ diese mit dem Satz beginnen: „Wir halten diese Wahrheit für selbstverständlich, dass alle Menschen gleich erschaffen sind.“[3] Woher kommt dieser Wandel zwischen der Anschauung von Aristoteles und der  von Thomas Jefferson? Es war der Einfluss des Kindes in der Krippe, des Zimmermanns aus Nazareth. Der Harvard-Professor Harvey Cox sagt: „ Die Worte der Bergpredigt sind die brillantesten, meist zitierten, meist analysierten, meist debattierten, einflussreichsten moralischen und religiösen Aussagen der ganzen Menschheitsgeschichte.“[4] Wer war dieser Mann?

Jesus hat ganz unterschiedliche Leute inspiriert. Die Evangelien sind in 2200 Sprachen übersetzt, in so viele Sprache, wie kein anderes Buch. Im letzten von Jesus überlieferten Satz steht die Aufforderung: „Lehrt sie!“ (Matthäus 28, 20) Das modern Bildungswesen wäre ohne den Einfluss von Jesus undenkbar. Die ersten Universitäten in Paris, Oxford, Rom, Neapel, Wien und Heidelberg wurden von Nachfolgern Jesu ins Leben gerufen.[5]

Wer war das Kind in der Krippe, der spätere Zimmermann aus Nazareth? Nein, wir dürfen nicht nur fragen: Wer war Jesus? Wir müssen auch fragen: Wer ist Jesus? In Johannes 10, 27 sagt er: „Meine Schafe hören meine Stimme.“ Sein Ruf an uns ergeht immer noch. Seine Arbeit ist noch nicht vollendet. Bist Du bereit, ihm zu helfen, seine Arbeit fertig zu machen? Bist Du bereit, ihm zu helfen, seine Gemeinde zu bauen? Es gehört wohl zu den größten Vorrechten des Menschen, wenn Jesus einem auf die Schultern klopft und uns fragt: Hilfst Du mir bei dem Bau meiner Gemeinde? Hey, Julian, bist Du bereit, mir zu helfen, die beste Lobpreisband im Saarland aufzubauen? Christina, bist Du bereit, mir zu helfen GoSpecial Gottesdienste auf die Beine zu stellen, die genauso gut besucht werden wie die in Niederhöchstadt? Karlheinz, bist Du bereit in Deinem Umfeld meinen Namen bekannt zu machen? Wenn Jesus Ihnen auf die Schulter klopft und Sie um etwas ähnliches bittet, wie werden Sie antworten? Werden Sie Jesus helfen oder werden Sie sagen: Jesus, ich finde es ja ganz toll, was Du so alles machst. Aber ich bin so beschäftigt mit meinem Leben. Wie wär’s, wenn Du Deine Sachen machst und ich mache meine. Ich glaube, wenn wir so antworten, werden wir es eines Tages bereuen. Denn wer ist das Kind in der Krippe? Es ist der Heiland, Gottes Sohn. Die Hoffnung der Welt. Amen.



[1] Die Idee für diese Predigt verdanke ich dem Vortrag „A Leader of Unimaginable Influnece?“ von John Ortberg beim Global Leadership Summit der Willow Creek Association am 10. August 2012 in South Barrington. Am selben Tag sprach Bill Hybels über “The Hope of the World”. Diesem Vortrag verdanke ich weitere Impulse für diese Predigt.

[2] Zitiert bei John Ortberg, Weltbeweger: Jesus – wer ist dieser Mensch? Asslar 2013, 40.

[3] Zitiert bei Ortberg, 39.

[4] Zitiert bei Ortberg, 95.

[5] Vgl. Ortberg, 101.