Wer's glaubt, wird selig!
Liebe Gemeinde!
Eines Sonntags morgens im Jahr 1991 sah eine Studienkollegin von mir in der Kreuzkirche in Bonn den damaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker. Nach dem Gottesdienst fasste sie sich ein Herz, sprach den Bundespräsidenten an und fragte ihn, ob sie ihn in das Hans-Iwand-Studentenwohnheim, in dem sie und auch ich damals wohnten, einladen dürfe, um mit uns Studenten und Studentinnen ins Gespräch zu kommen. Richard von Weizsäcker sagte sofort zu und nachdem der Termin feststand, bildete sich eine kleine Gruppe von Studentinnen und Studenten, zu denen auch ich gehörte, um das Gespräch vorzubereiten. Richard von Weizsäcker hatte uns bezüglich der Thematik völlig freie Hand gelassen und so bereiteten wir Fragen vor zu den Themen Politik, Kirche und Theologie. Zum Einstieg suchten wir jedoch nach einer Frage, deren primärer Zweck es war, das Eis zum Schmelzen zu bringen und eine lockere Atmosphäre zu schaffen. Da ich wusste, dass Richard von Weizsäcker in seiner Jugend ein guter Mittelstreckenläufer war, hatte ich die Ehre, die erste Frage an den Bundespräsidenten stellen zu dürfen und zwar eine über seine sportliche Vergangenheit. Die Frage schlug ein. Richard von Weizsäcker kam wie erhofft ins Plaudern, erzählte von Rudolf Harbig, dem Idol seiner Jugend, der 1939 in Mailand über 800 m in 1:46,6 min einen Weltrekord aufgestellt hatte, der 16 Jahre hielt. Und er erzählte, dass er selbst über 800 m eine Bestzeit hat von 2:02 min. – Teilnehmer an jenem Abend waren auch zwei Theologieprofessoren der Universität Bonn. Als Richard von Weizsäcker nach der Diskussion einen Rundgang durch unser Studentenwohnheim machte, hörte einer dieser Professoren einem kurzen Gespräch zu, das ich mit einem Leibwächter des Bundespräsidenten führte. Im Laufe unserer Unterhaltung fragte mich der Bodyguard, ob ich selbst auch Mittelstreckenläufer gewesen sei und wenn ja, wie schnell ich über 800 m war. Ich bejahte die erste Frage und sagte dann: „Ich war schneller als der Bundespräsident. Ich habe eine Bestzeit von 1:57,9 min. In diesem Moment schaltet sich der Theologieprofessor in unser Gespräch ein und sagt zu mir: „Wer’s glaubt, wird selig.“ Im ersten Moment war ich verblüfft, enttäuscht und geschockt zugleich. Es hat mir einige Jahre viel bedeutet über 800 m diese Zeit gelaufen zu sein, die für einen 18 jährigen wirklich nicht schlecht ist. Und dann kommt jemand, der mich persönlich nur oberflächlich kennt und der meine sportliche Leistungsfähigkeit überhaupt nicht einschätzen konnte und stellt meine 800 m Zeit in Frage. Ich war dem spöttischen Spruch des Professors in dem Moment hilflos ausgeliefert. Dabei bin ich diese Zeit wirklich gelaufen. Es gibt ein paar Menschen, die damals dabei waren, die es bezeugen können, aber die waren jetzt natürlich nicht da. – „Wer’s glaubt, wird selig.“ Dieser Satz wird heute meistens spöttisch verwendet. Dabei hat dieser Satz einen sehr ernsten tiefen Sinn. In ihm kommen zwei Begriffe vor, die im Christentum eine große Rolle spielen. Der Begriff „glauben“ und der Begriff „selig werden“.
Der Begriff „glauben“ hat in der Bibel mehrere Bedeutungsnuancen. So gibt es in der Bibel auch ganz profane Bedeutungsnuancen, die auch wir im Alltag häufig verwenden: „Glauben“ im Sinne von „Ich vertraue jemandem“ oder „Ich vermute, dass etwas stimmt. Aber es gibt in der Bibel natürlich auch spezifisch religiöse Bedeutungen dieses Wortes. Glauben als das Vertrauen in die rettende Wundermacht Gottes, ja sogar Glauben an die eigene Wundermacht. „Wenn ihr Glauben habt wie ein Senfkorn, so könnt ihr sagen zu diesem Berg: Heb dich dorthin!, so wird er sich heben und es wird euch nichts unmöglich sein“, sagt Jesus im 17. Kapitel des Matthäusevangeliums (Mt 17,20). Und einige Kapitel weiter, wo Jesus etwas ähnliches sagt, schließt er seine Rede ab mit dem Satz. „Alles, was ihr bittet im Gebet, wenn ihr glaubt, so werdet ihr’s empfangen.“ (Mt 21,22) Dem sprichwörtlich gewordenen Glauben, der Berge versetzt, geht sehr oft ein starker Gebetsglaube voraus. Es ist mir zwar noch niemand begegnet, der einen solchen Glauben gehabt hätte, wie er in der Bibel an einigen Stellen beschrieben ist, aber andererseits bin ich mir sehr sicher, dass durch intensives Gebet Menschen und Situationen sich zum positiven hin verändern können. Im Oktober 2008 haben sich einige Pfarrer und Pfarrerinnen unseres Kirchenkreises zwei und zwei zusammengetan, haben sich ausgetauscht und dann eine Woche lang jeden Tag und danach bis zum Ende des Jahres mindestens einmal pro Woche füreinander gebetet. Die Kollegin, mit der ich das gemacht habe und ich, wir haben uns sehr intensiv ausgetauscht und haben uns von Problemen erzählt, die uns damals sehr belastet haben. Ein halbes Jahr später hat es diese Probleme nicht mehr gegeben. Natürlich kann man jetzt sagen, dass es diese Probleme auch ohne Gebet nach einem halben Jahr nicht mehr gegeben hätte. Ich glaube das nicht. Ich glaube, dass das Gebet eine Rolle gespielt hat, vor allem deshalb, weil ich ähnlich Dinge in der Vergangenheit schon öfters erlebt habe. (Ein anglikanischer Bischof hat einmal gesagt, dass es nach Gebeten häufig zu besonderen Zufällen kommt). Ich habe wieder einige Schülerinnen und Schüler dafür gewinnen können für Sie zu beten, für jeden einzelnen von Ihnen, wenn Sie das wollen. Schreiben Sie dann auf den weißen Zettel Ihr Anliegen und geben Sie den Zettel dann am Ausgang ab. Wenn möglich schreiben Sie bitte auch den Vornamen der Person drauf, für die gebetet werden soll.
„Wer’s glaubt wird selig.“ Es gibt noch eine weitere wichtige religiöse Bedeutung dieses Wortes in der Bibel. Und dies ist nun auch eine spezifisch christliche Bedeutung dieses Wortes. Es ist der Glaube an Jesus Christus. Wobei der Glaube an Jesus Christus etwas ausführlicher formuliert der Glaube daran ist, dass Jesus Christus gestorben und auferstanden ist zu unserem Heil, zu unserer Seligkeit. Dieser Glaube, insbesondere der Glaube an die Auferstehung kann leicht spöttisch in Zweifel gezogen werden und ist in der Vergangenheit auch oft in Zweifel gezogen worden, sogar in aller frühester Christenheit. Als der Apostel Paulus sich in der Stadt Ephesus aufgehalten hat, bekommt er Besuch aus der christlichen Gemeinde von Korinth, die er einige Jahre vorher gegründet hatte. Ihm wird u.a. berichtet, dass es in der Gemeinde mittlerweile Menschen gibt, die sagen: Es gefällt uns gut bei Euch, ihr geht menschlich miteinander um. Deswegen wollen wir ja auch zur Gemeinde gehören. Aber dass jemand von den Toten aufersteht, das gibt es nicht. Das können wir einfach nicht glauben. Daraufhin schreibt der Apostel Paulus seinen ersten Brief an die christliche Gemeinde von Korinth. Im 15. Kapitel geht er auf die Leugnung der Auferstehung ein. Er nennt Menschen, die den auferstanden Jesus gesehen haben. Als erstes nennt er Petrus, danach die 12, dann 500 Brüder auf einmal, von denen die meisten noch lebten, als der Brief geschrieben wurde, d.h. sie konnten befragt werden. Danach ist Jesus seinem leibliche Bruder Jakobus erschienen, dann allen Aposteln und zum Schluss Paulus selbst. Natürlich kann diese Aufzählung des Paulus in Zweifel gezogen werden. Aber so wie ich gegenüber dem Professor natürlich nicht klein bei gegeben habe und nicht gesagt habe: Nein, ich habe ein bisschen übertrieben. Ich bin natürlich nicht 1:57 gelaufen, sondern nur 2:05, so würde der Apostel Paulus, davon bin ich überzeugt, wenn er jetzt hier wäre, nicht sagen: Nein, ich habe geschwindelt, Jesus ist mir natürlich nicht erschienen. Sondern er würde auf seiner Position bestehen und weiter behaupten, dass der Auferstandene ihm und den anderen genannten Personen und Personengruppen erschienen ist. Dieser Glaube nun, dass Jesus Christus gestorben und auferstanden ist zu unserem Heil, ist im christlicher Glauben verknüpft mit der Taufe. Im Markus-Evangelium wird das dann so formuliert: „Wer glaubt und getauft wird, der wird selig werden.“ (Mk 16,16) „Seligkeit“ ist ein altes Wort. Aber das, was damit gemeint ist, ist so aktuell, wie eh und je. Seligkeit meint, dass es in unserem Leben mehr geben muss, als dass wir am Ende eine aufgeräumte Wohnung zurücklassen. Seligkeit meint, dass der Traum vom Glück wahr wird. Dass Welt und Seele Frieden finden. - Wer’s glaubt, wird selig. Dass diese abgekürzte Verheißung aus der Bibel für uns wahr wird, das wünsche ich uns allen. Amen.