Auch Du brauchst Jesus!
Liebe Gemeinde!
„Gott hat niemals sein Auge von mir abgewandt. Ich kann gerne bestätigen, was in Psalm 91 steht: ‚Er hat seinen Engeln befohlen, dass sie dich behüten auf allen deinen Wegen.’ Jetzt hat sich aber mein geliebter Jesus Christus gemeldet. Er hat Sturm bei mir geklingelt. Er ist doch mein ältester und mein liebster Bruder, mein bester und treuester Freund, mein Ein und mein Alles – wie soll ich ihm die Tür etwa nicht aufmachen?“[1] „Diese ... Zeilen stammen nicht von einem bieder-frommen Zeitgenossen, sie sind kein Tagebucheintrag eines klösterlichen Menschen. Diese Zeilen stammen von Nina Hagen, für die die Adjektive ‚schrill’, ‚grell’ und ‚schräg’ überhaupt erst erst erfunden werden mussten. Eine der begabtesten ... Gestalten der Popszene hat sich taufen lassen. So ist das: Menschen, bei denen man es nicht unbedingt erwartet, entdecken Gott. Allerdings würde es Nina Hagen genau andersherum sagen: Gott hat sie entdeckt und ‚Sturm geklingelt.’ Da wurde etwas wach und brachte sich zu Gehör, ließ nicht mehr los und wurde zu der großen Entdeckung eines neuen Lebens.“[2] „Ist jemand in Christus, ist er eine neue Kreatur, das Alte ist vergangen, siehe, es ist alles neu geworden.“ (2. Kor 5, 17)
Wenn ich mein Leben Revue passieren lasse und mich frage, wann ich etwas erlebt habe, von dem ich glaube, dass es auf diesen Bibelvers passt, dann komme ich immer wieder zurück auf eine Zeit, als ich 13 Jahre alt war. Ich war damals im Konfirmandenunterricht bei Pfarrer Kohl. Pfarrer Kohl war eigentlich schon im Ruhestand, er hat aber in unserer Gemeinde zwei Jahre Vakanzvertretung gemacht, weil der eigentliche Gemeindepfarrer schwer erkrankt war und seiner Arbeit nicht mehr nachgehen konnte. Pfarrer Kohl hat mich ganz stark geprägt. Er hat jede Stunde mit Gebet begonnen und mit Gebet abgeschlossen. Ich habe heute noch vor Augen, wie er gebetet hat. Und das hat mich sehr beeindruckt, denn ich hatte immer das Gefühl, das ist stimmig, was er sagt. Eines Tages hat er auch einmal theoretisch über das Beten gesprochen. Dabei hat er gesagt, dass er in seinem Leben sehr viel gebetet hat und auch viel auf Knien gebetet hat. Das hatte ich bis dahin noch nie gemacht. Das hatte mir niemand beigebracht oder gesagt, dass man das machen könnte. Jetzt aber habe ich damit angefangen. Ich habe vor allem auch deshalb damit angefangen, weil ich in meinem Innern einen Konflikt hatte. Einige Zeit vorher hatte ich erfahren, dass ich Vorfahren aus Ostpreußen habe. Ostpreußen ist ein Land, das nach dem 2. Weltkrieg von Deutschland abgetrennt wurde und heute z.T. zu Russland gehört und z.T. zu Polen. Meine Mutter hatte mir zu Weihnachten mal einen Bildband geschenkt mit wunderschönen Landschaftsaufnahmen von Ostpreußen. Und ich bin später auch dreimal dort gewesen. Es ist wirklich ein wunderschönes Land. Damals habe ich mir in meiner kindlich-jugendlichen Phantasie vorgestellt, nach Ostpreußen auszuwandern, wenn es noch zu Deutschland gehören würde. Aber es gehörte nicht mehr zu Deutschland und deshalb habe ich mich in meiner kindlich-jugendlichen Phantasie kurzfristig entschlossen, Ostpreußen zurückzuerobern und habe Krieg gespielt. Wir hatten zu Hause Landwirtschaft, da hatten wir einen Heuschuppen, in dem konnte man phantastisch Krieg spielen. Gleichzeitig bin ich im Konfirmandenunterricht bei Pfarrer Kohl, der meinen bereits vorhandenen Glauben an Gott stärkt. Darüber hinaus war Pfarrer Kohl der erste Mann, der mir begegnet war, der im Krieg Soldat war und darüber auch etwas erzählt hat. Mein Großvater war auch Soldat, aber er hat – zumindest in meiner Gegenwart – nie etwas darüber erzählt. Pfarrer Kohl hat zumindest ein wenig darüber erzählt. Und ich begann zu ahnen, was Krieg eigentlich wirklich heißt. In meinem Kopf war mir völlig klar, dass das Kriegspielen nicht in Ordnung ist, aber ich habe es trotzdem immer wieder gemacht. Es war wie ein innerer Zwang. Als ich später Theologie studiert und dabei intensiv die Bibel gelesen habe, habe ich im Römerbrief Kapitel 7 einen Satz gefunden, der mein damaliges Empfinden genau getroffen hat. „Das Gute, das ich will, das tue ich nicht; sondern das Böse, das ich nicht will, das tue ich.“ (Röm 7,19) Heute, nach 50 Jahren Lebenserfahrung glaube ich, dass die meisten Menschen irgendwann in ihrem Leben bei irgendeiner Sache an so einen Punkt kommen: Dass sie etwas tun, was nicht gut ist und das sie eigentlich auch gar nicht tun wollen. Aber ein innerer Zwang drängt sie dazu, es zu tun. Bei mir hat der Konfirmandenunterricht bei Pfarrer Kohl dazu geführt, dass der Konflikt in meinem Innern so stark wurde, dass ich manchmal mitten während des Kriegspielens damit aufgehört habe, in mein Zimmer gelaufen bin, mich vor mein Bett gekniet habe und so fest gebetet habe, wie ich nur konnte. Und ich habe gemerkt: das tut mir gut. Und weil ich gemerkt habe, dass mir das gut tut, habe ich es öfters gemacht. Und nachdem ich es öfter gemacht habe, war der Drang Krieg zu spielen irgendwann einfach weg. Ich war mit mir und meinem Gott im Reinen. Ich glaube, damals zumindest ansatzweise das erlebt zu haben, was der Apostel Paulus im 2. Korintherbrief schreibt: „Ist jemand in Christus, ist er eine neue Kreatur. Dass Alte ist vergangen, siehe es ist alles neu geworden!“ (2. Kor 5,17)
Im Januar 2012 war ich auf einem Willow Creek Leitungskongress in Stuttgart. Bei diesem Kongress sprach auch Christine Caine, eine Pastorin aus Sydney. Christine Caine erzählte sehr offen aus ihrem Leben. Zwischen ihrem dritten und 15. Lebensjahr ist sie fast jede Woche von vier verschiedenen Männern sexuell missbraucht worden. Dass sie heute in der Lage ist zwei Gedanken hintereinander vernünftig zu formulieren, liege alleine darin, dass sie vor 23 Jahren in Sydney/Australien in eine Kirchengemeinde ging und dort zum Glauben an Jesus Christus kam. „Egal, was in meiner Vergangenheit passiert ist“, fuhr sie fort, „Jesus Christus ist in der Lage, alles neu zu machen.“ Als sie 33 Jahre alt war – mittlerweile war sie durch den Glauben an Jesus Christus eine im Innern stabile Persönlichkeit – als sie 33 Jahre alt war, erfährt sie, dass ihre Eltern nicht ihre leiblichen Eltern sind, sondern dass sie adoptiert wurde. Daraufhin stellt sie Nachforschungen an in Bezug auf ihre leiblichen Eltern. Sie bekommt von einem entsprechenden Amt Unterlagen zugeschickt. Auf einem Vordruck steht unter „Name der Mutter“ nur der häufige griechische Vorname Panagiota. Unter „Name des Vaters“ steht: unbekannt. Und unter Name des Kindes steht: „unnamed“, unbenannt. Stattdessen stand untendrunter die Nummer 2508 des Jahrgangs 1966. Außer diesem Formular bekam Christine Caine von dem Amt den Auszug eines Gesprächsprotokolls, den ein Sozialarbeiter zwei Wochen vor der Geburt mit der Mutter geführt hat. Darin heißt es, dass die Mutter nicht sonderlich an dem Kind zu hängen scheint und möglichst schnell wieder arbeiten gehen will. Der Vater ist unbekannt, die Mutter will das Kind möglichst schnell loswerden, das zunächst keinen Namen bekommt, sondern nur eine Nummer. Das ist etwas, was auch eine Frau wie Christine Caine, die zu diesem Zeitpunkt durch den Glauben an Jesus Christus innerlich stabil war, ins Wanken gebracht hat. Aber diese Tatsachen haben sie nicht umgehauen. „Denn es gibt eine Kraft“, so sagte sie, „die stärker ist als die Tatsachen. Und das ist die Kraft des Wortes Gottes. Und in Gottes Wort steht, dass wir wunderbar gemacht sind, in Christus neu gemacht – ‚Ist jemand in Christus, ist er eine neue Kreatur, das alte ist vergangen, siehe es ist alles neu geworden’ – in Christus neu gemacht und berufen zu guten Taten, die er für uns schon vorherbestimmt hat.“[3]
In der mittlerweile entwidmeten ev. Kirche in Quierschied ist ein wunderschön gestaltetes Fenster, in dem eine Szene aus der Bibel dargestellt ist: Jesus Christus als der gute Hirte aus Joh 10. In diesem Fenster ist ein Vers aus diesem Kapitel eingraviert. Jesus Christus spricht: „Meine Schafe hören meine Stimme.“ (Joh 10, 27) Sinngemäß sagt Jesus weiter im Johannesevangelium: „Wer mein Wort hört, wer das Gespräch mit mir sucht, der wird leben.
Wenn wir heute fragen, womit und wovon wir leben können, werden wir immer und immer wieder auf ihn zurückkommen. Kein Volk, keine Kultur, kein Denker und kein Dichter haben an die Stelle seiner Worte je etwas besseres und wichtigeres und tragfähigeres setzen können.“[4]
Wenn der Herr Jesus Christus heute, morgen oder irgendwann in der Zukunft an ihrer Lebenstür anklopft und erst recht, wenn er bei Ihnen Sturm klingelt, dann öffnen Sie ihm Ihre Tür und lassen Sie ihn in Ihr Leben hinein. Wir alle brauchen ihn. Amen.
[1] Nina Hagen, Bekenntnisse, München 2011, 269.
[2] Michael Herbst, Geleitwort, in: Nicky Gumbel, Fragen an das Leben. Eine praktische Einführung in den christlichen Glauben, Asslar 2010, 7.
[3] Vgl. Christine Caine, Der Angst keine Chance. Mein Weg zu einem Leben ohne Furcht, Asslar 2013.
[4] Vgl. Jörg Zink, Womit wir leben können. Das Wichtigste aus der Bibel in der Sprache unserer Zeit, Stuttgart 1963, 4.