Das ist Kirche!

Liebe Gemeinde,

Pfingsten ist das Fest des Heiligen Geistes und das Fest der Kirche. An Pfingsten kam der Heilige Geist auf die Jünger und an Pfingsten entstand die erste christliche Gemeinde, die Urgemeinde in Jerusalem. Durch den Heiligen Geist waren die Jünger in der Lage andere Sprachen zu sprechen und zu verstehen und konnten sich so mit den internationalen Gästen, die zu diesem Zeitpunkt wegen eines jüdischen Fests in Jerusalem waren, verständigen. Darüber hinaus bewirkte der Heilige Geist, dass die Jünger neuen Mut bekamen. An Karfreitag, dem Tag, an dem Jesus Christus gekreuzigt wurde, liefen die Jünger auseinander wie aufgeschreckte Hühner. Sie hatten Angst. Aus verständlichen Gründen. Sie hatten Angst, dass auch ihnen etwas zustoßen könnte. Drei Tage später ist Jesus von den Toten auferstanden. Das war für die Jünger zunächst einmal ein Schock, wenn auch ein positiver Schock. Das mussten sie zunächst einmal verarbeiten. Aber Jesus gab ihnen Zeit zum Verarbeiten. Er zeigte sich 40 Tage lang als der Lebendige, bis Christi Himmelfahrt. Dann hörten die Erscheinungen des Auferstandenen auf. Mit einer Ausnahme. Ein, zwei Jahre später zeigte sich der auferstandene Jesus kurz vor Damaskus dem späteren Apostel Paulus. Aber die Erscheinungen unmittelbar nach Ostern hörten an Christi Himmelfahrt auf. In den nächsten 10 Tagen waren die Jünger vielfach zusammen zum Gebet bis dann an Pfingsten der Heilige Geist auf sie kam. Sie verkündigten mutig auf den Straßen von Jerusalem, dass Jesus von den Toten auferstanden ist und dass seine Verkündigung des Reiches Gottes weitergehen muss. Und ausgerechnet Petrus, der der Jesus in der Nacht von Gründonnerstag auf Karfreitag dreimal verleugnet hat, der dreimal auf Jesus angesprochen worden war und jedes Mal sinngemäß sagte, ich kenne diesen Mann nicht, ausgerechnet dieser Petrus wird jetzt zum neuen Anführer der Bewegung. Das ist etwas Tröstliches. Denn es zeigt, dass der christliche Glaube eine Religion der zweiten Chance ist. Auch wenn Du mal versagt hast, heißt das nicht, dass Dein Leben verpfuscht ist. Du kannst eine zweite Chance bekommen. Aber es ist sehr hilfreich, u.U. sogar absolut notwendig, dass Du offen bist für das Wirken des Heiligen Geistes. Ohne den Heiligen Geist bist Du als Christ wie ein Ferrari ohne Sprit. Mit einem Ferrari kannst Du schnell, wenn Du willst sogar rasant oder gemächlich fahren. Aber ohne Sprit im Tank kommst Du nicht von der Stelle. Beim ersten Pfingstfest kamen die Jünger von der Stelle, so sehr, dass mehr als 3000 andere Menschen von ihnen angesteckt wurden und sich taufen ließen. Die Urgemeinde in Jerusalem bildete sich und der Heilige Geist wehte in den folgenden 2000 Jahren so sehr, dass es kaum ein Land gibt, in dem es im Laufe der Geschichte keine Christen und keine Kirchen gab. Allerdings gibt es Länder, wo die Kirche einmal stark vertreten war, wo es heute kaum noch Christen gibt. Die Türkei ist ein Beispiel dafür. Und auch in Deutschland geht es aktuell mit der Kirche kontinuierlich bergab. Was hat die Kirche überhaupt zu bieten, was ihr eine Existenzberechtigung gibt? Als erstes ist es das Evangelium von Jesus Christus, der zu unserem Heil den Weg ans Kreuz von Golgatha ging und in den Ostermorgen, so dass auch wir die Hoffnung haben dürfen, dass der Tod nicht das letzte Wort über uns hat. Dazu ist es die Liebe, die Jesus in den Mittelpunkt seiner Lehre gestellt hat, dass wir Gott, unseren Herrn lieben sollen von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von allen Kräften und von ganzem Gemüt und unseren Nächsten wie uns selbst. Jesus war fast skandalös großzügig im Austeilen seiner Liebe. Und die Kirche ist ihm an guten Tagen darin gefolgt. Der Schriftsteller Heinrich Böll hat mal gesagt, dass er selbst die allerschlechteste christliche Welt der besten heidnischen Welt vorziehen würde, weil es in der christlichen Welt Raum gibt für die, denen keine heidnische Welt je Raum gab: für Menschen mit Behinderung, für Kranke, Alte und Schwache. Und mehr noch als Raum gab es für sie: Liebe für die, die der heidnischen wie der gottlosen Welt nutzlos erschienen und erscheinen.

In einem Buch über eine amerikanische Kirchengemeinde habe ich einmal Abschnitte gelesen über Liebe, Vergebung, aber auch Herausforderungen, die alle miteinander beschreiben, was Kirche ist und die ich ausschnittsweise vortragen möchte:

„Er ist gestorben.“ Die Krankenschwester spricht langsam und sanft, als ob sie so die Wahrheit in Karens Herz lindern wollte. Doch die Wahrheit schlägt ein wie eine Rakete und hinterlässt Schock und Verlassenheit. Karen fühlt sich von der Realität zurückgestoßen und in einem schmerzvollen Dämmerzustand versetzt. Dann holt sie die freundschaftliche Berührung von Anns Hand in die Wirklichkeit zurück. Jeffs feste Umarmung umgibt sie mit Stärke. Die Worte, die Jenny flüstert, erinnern sie daran, dass sie nicht alleine ist. Die Tränen in Davids Augen helfen ihr, ihre eigenen Tränen zu finden. Über zwei Jahre lang haben sich Tim und Karen mit viel Zeit, Energie und Liebe um jedes einzelne Mitglied der Kleingruppe gekümmert, die sie gemeinsam leiten. Nun kommt die Liebe zurück und lindert den schneidenden Schmerz über den Verlust eines geliebten Menschen.

Das ist Kirche.

„Ich aber sage euch: Jeder, der seinem Bruder auch nur zürnt, soll dem Gericht verfallen sein. … Wer aber zu ihm sagt: Du gottloser Narr!, soll dem Feuer der Hölle verfallen sein. Wenn du deine Opfergabe zum Altar bringst und dir dabei einfällt, dass dein Bruder etwas gegen dich hat, so lass deine Gabe dort vor dem Altar liegen; geh und versöhne dich zuerst mit deinem Bruder, dann komm und opfere deine Gabe.“ (Mt 5, 22-24) „Ihr wisst, was diese Worte bedeuten“, sagt der Pastor, „aber seid ihr auch bereit, danach zu handeln? Bitte kommt nicht zum Abendmahl, wenn ihr Dinge habt, die vorher erledigt werden müssen.“ Noch während er spricht, kommt Bewegung in den Zuschauerraum. Innerhalb weniger Minuten haben Hunderte von Menschen ihren Platz verlassen. Einige gehen zum Telefon. Andere treffen sich in leeren Gemeinderäumen. Einige gehen heim. Das Werk der Versöhnung hat begonnen.

Das ist Kirche.

„Es geht hier nicht um Sport. Es geht hier um die Reise eines Menschen zum Glauben.“ Nachdem das Thema klar ist, beginnt die Diskussion. Die vielen Tausend Menschen, die zu den zahlreichen Gottesdiensten an diesem Wochenende gekommen sind, hören Mike Singletary, den ehemaligen Linienspieler der Chicago Bears, ganz offen über Familie, Glaube und Vergebung sprechen. Das Publikum ist gemischt. Manche sind zum ersten Mal als Besucher in dieser Gemeinde, die meisten von ihnen wurden von einem Freund oder Verwandten eingeladen, der regelmäßig hier ist. Einige von ihnen wurden zuvor schon wiederholt eingeladen, aber erst die Bewunderung für Mike konnte ihren Widerstand brechen. Nach dem Gottesdienst schickte ein Mädchen dem Gemeindebüro eine kurze Notiz: „Ich versuche seit Jahren, meinen Vater zum Gottesdienst zu bringen, aber er wollte nie mitkommen – bis ich ihm sagte, dass Mike Singletary sprechen würde. Er hat wirklich bei dem zugehört, was Mike über das Christsein sagte. Danach hatten wir ein gutes Gespräch und er sagte, dass er wiederkommen wolle. Ich kann es kaum glauben. Danke!“

Das ist Kirche.

„Sie hielten an der Lehre der Apostel fest und an der Gemeinschaft, am Brechen des Brotes und an den Gebeten. Alle wurden von Furcht ergriffen; denn durch die Apostel geschahen viele Wunder und Zeichen. Und alle, die gläubig geworden waren, bildeten eine Gemeinschaft und hatten alles gemeinsam. Sie verkauften Hab und Gut und gaben davon allen, jedem so viel, wie er nötig hatte. Tag für Tag verharrten sie einmütig im Tempel, brachen in ihren Häusern das Brot und hielten miteinander Mahl in Freude und Einfalt des Herzens. Sie lobten Gott und waren beim Volk beliebt. Und der Herr fügte täglich ihrer Gemeinde hinzu, die gerettet werden sollten.“ (Apg 2, 42-47)

Das ist Kirche.[1]

Liebe Gemeinde, wo solche Dinge geschehen, dort ist die Kirche, die Ortskirche, die Hoffnung der Welt. Dann stellt sie den Leib Christi dar.

Bleiben Sie, liebe Gemeinde, der Kirche treu. Es wäre ein Jammer , wenn solche Geschcihten nicht mehr erzählt werden könnten. Amen.



[1] Vgl. Lynne & Bill Hybels, Ins Kino gegangen und Gott getroffen. Die Geschichte von Willow Creek, Wiesbaden 1996, 9 – 12.