Was hat Glaube mit Geld zu tun?

Liebe Gemeinde,

ist Ihre eigene Einstellung bezüglich Geldspenden für kirchliche Zwecke vergleichbar  mit der Haltung von einer der vier Personen im Theaterstück? Denken Sie wie die erste Person, dass die Kirche zwar Geld braucht für ihre Zwecke, dass Sie Ihr Geld aber deutlich dringender brauchen? Oder stellen Sie sich wie die zweite Person vor, dass Sie sehr viel spenden, von anderen dabei beobachtet werden, Ihnen dadurch eine große Ehre zu Teil wird, aber wenn es ernst wird, entscheiden Sie sich nicht nur deutlich weniger zu geben, sondern  sogar – gar nichts. Oder stehen Sie der dritten Person nahe, die wohl charakteristisch ist für die meisten Menschen im Mittelalter. Man gibt sehr viel, weil man voll beladen ist mit Schuldgefühlen. Oder können Sie sich mit der vierten Person identifizieren. Sie sind Gott sehr dankbar, weil es Ihnen alles in allem sehr gut geht. Sie wollen Gott deshalb etwas zurückzahlen und eine große Spende machen, aber im entscheidenden Moment haben Sie kein Geld dabei? Geld spielt eine Rolle oder spielt Geld keine Rolle? Wenn Geld eine Rolle spielt, welche Rolle spielt Geld dann? Was hat Geld mit dem Glauben zu tun und umgekehrt, was hat Glaube mit Geld zu tun?

Was sagt die Bibel dazu? Eine der wichtigsten Äußerungen diesbezüglich steht im Buch des Propheten Maleachi Kapitel 3 Vers 10. Dort sagt Gott: „Bringt aber die Zehnten in voller Höhe in mein Vorratshaus, auf dass in meinem Haus Speise sei und prüft mich hiermit, ob ich euch dann nicht des Himmels Fenster auftun und Segen herabschütten werde die Fülle.“ Ursprünglich sind Naturalien gemeint, die in den Tempel gebracht werden sollen. 10 % der Ernte.  Auf die heutige Zeit übertragen heißt das, dass wir 10 % unseres Einkommens für kirchliche Zwecke spenden sollen. In allen Ländern und in allen Kirchen, in denen es keine Kirchensteuer gibt, ist das Geben des Zehnten die Grundlage der Finanzierung einer jeden Kirchengemeinde. Wobei für den Einzelnen die Kirchensteuer deutlich geringer ist als der Zehnte. Die Kirchensteuer  beträgt nur etwa ein bis zwei Prozent des Einkommens. Neben der Aufforderung den Zehnten zu geben enthält der zitierte Vers aus der Bibel eine bemerkenswerte Fortsetzung. Wenn wir 10 % unseres Einkommens geben, dann will Gott unser Leben segnen, ja er will Segen auf uns herabschütten die Fülle. Vor einiger Zeit habe ich ein Buch gelesen, in dem der Autor beschreibt, dass er den Zusammenhang zwischen Geben und dem Empfangen des Segens Gottes Schritt für Schritt gelernt hat und dass das für ihn ein Wachstum im Glauben war. Der Mann heißt Leo Bigger. Er ist leitender Pastor von ICF Zürich, International Christian Fellowship Zürich, eine Freikirche, zu der an einem Wochenende mehr als 2000 Menschen in den Gottesdienst kommen. ICF Zürich ist damit – was den Gottesdienstbesuch angeht – die größte Einzelkirchengemeinde der Schweiz. Leo Bigger stammt aus der katholischen Kirche. Die katholische Kirche in der Schweiz wird ähnlich wie die katholische und auch evangelische Kirche bei uns primär über die Kirchensteuer finanziert. Zwar gibt es auch während des Gottesdienstes eine Kollekte, aber die ist in der Regel nicht dafür bestimmt, um den Kirchenbetrieb am Laufen zu halten, sondern in der Regel für diakonische Zwecke. Bigger schreibt in seinem Buch: „Wenn wir konkrete Glaubensschritte wagen, wachsen wir im Glauben. Von der katholischen Kirche her kannte ich das Prinzip der Kollekte am Ende der Messe. Ein richtiger Schock war es, als ich zum ersten Mal in einer Freikirche saß und die Leute um mich herum während der Kollekte aufmerksam beobachtete. Die warfen nicht nur kleine Münzen in den Topf, sondern spendeten teils auch große Banknoten! Animiert von ihrer Großzügigkeit entschied ich mich, fünf Franken zu geben. Noch nie in meinem Leben hatte ich soviel Geld in eine Kollekte geworfen, aber die Sache war es mir wert. Das war mein Maß Glauben in finanzieller Hinsicht. … Ich war noch in der Berufsausbildung und erhielt zwei Wochen später  zum ersten Mal 500 Franken. … Im Alten Testament las ich über das Gesetz des Zehnten und rechnete:  zehn Prozent von 500 Franken.  ‚Au Backe‘, sagte ich zu mir. ‚Das macht mehr als fünf Franken.‘  So stellte ich Gott auf die Probe, indem ich zum ersten Mal mehr spendete und erlebte, wie er zu seinen Versprechen steht. Gott heilte alte Wunden in meinem Leben (und) befreite mich von schlechten Gewohnheiten. … Das Maß meines Glaubens wuchs mit jedem mutigen Glaubensschritt, den ich machte. Als wir in der Kirche Geld für ein neues Gebäude sammelten, sprengte Gott meine bisherige Vorstellungskraft und mein Maß an Glauben vervielfältigte sich. Ich hörte die liebevolle und doch bestimmte Stimme des heiligen Geistes: ‚Leo, wenn Du als Leiter für dieses Projekt nicht alles gibst, dann werden es die Leute in der Kirche auch nicht tun. Es sind nicht so sehr Deine Worte, die andere ermutigen und anspornen, sondern Dein Leben ist die Botschaft.‘ Darauf leerten meine Frau Susanna und ich unser Bankkonto, verkauften unser Auto und die Vespa und spendeten (darüber hinaus) während 18 Monaten einen großen Teil unseres Lohnes für das neue Gebäude. Das Maß unseres Glaubens vergrößerte sich und Gott hielt Wort. Nur ein paar Monate später wurde uns ein Haus geschenkt, welches beinahe zehn Mal den Wert unserer Spende hatte. Mein Maß Glauben begann mit fünf Franken und nahm ständig zu, je großzügiger ich war. Auch meine Glaubensschritte wurden immer mutiger. Es war und ist noch heute spannend zu erleben, wie Gott mich und meine Familie immer wieder neu überrascht. Damit dieses Maß Glauben in uns wachsen kann, müssen wir die Schritte tun, zu denen Gott uns herausfordert.“[1]

Wie ist es nun umgekehrt, wenn Gott uns nicht herausfordert Geld zu spenden, sondern etwas zu tun, wofür man normalerweise Geld bräuchte, aber man hat kein Geld?  Als Jesus seine Jünger ausgesandt hat, um zu predigen und zu heilen, sagte er zu ihnen: „Ihr sollt nichts mit auf den Weg nehmen, weder Stab noch Tasche noch Brot noch Geld.“ (Lk 9,2f) Später, kurz vor seiner Kreuzigung, hat er sie gefragt: „Als ich euch ausgesandt habe ohne Geldbeutel, ohne Tasche und ohne Schuhe, habt ihr da je Mangel gehabt? Sie sprachen: Niemals!“ (Lk 22,35)

Auch dazu ein Beispiel aus heutiger Zeit. Als Bill Hybels die Willow Creek Community Church gründete, hatte er kein Geld. Und die Gemeinde hatte drei Jahre lang kein Geld, ihm ein Gehalt zu zahlen. Er arbeitete nachts auf dem Großmarkt von Chicago und seine Frau gab Flötenunterricht. Der kärgliche Lohn reichte nicht aus, alle Lebenshaltungskosten zu decken. Trotzdem spendeten sie davon 10 % und erlebten, wie immer wieder irgendwelche Leute eine Tüte Lebensmittel vor ihre Tür stellten. Andere schenkten ihnen gebrauchte Möbel, ohne die ihre Mietwohnung praktisch leer gewesen wäre. Bill Hybels zieht ein ähnliches Fazit wie Leo Bigger: „In diesen kargen Jahren erlebte ich Gott als vollkommen wunderbar, absolut treu und zu seinen Verheißungen stehend. … Fast 30 Jahre später zehre ich noch immer von diesen harten Jahren, wenn ich über die Vertrauenswürdigkeit Gottes predige.“[2]

Ich selber habe im Jahr 2009 das Gefühl gehabt, dass Gott mich herausfordert, mit diesen GoSpecial-Gottesdiensten anzufangen. 2009 haben wir einen durchgeführt, 2010, 11 und 12 jeweils zwei, 2013 vier und 2014 sogar sechs. Welche Kosten sind dabei entstanden?  Zunächst einmal keine. Die Arbeit wurde und wird ehrenamtlich gemacht. Die Spritkosten oder die Fahrkarte zur Probe bezahlt jeder selber. Gemeinden haben uns für die Durchführung der Gottesdienste ihre Kirchen bzw. unser Schulleiter das Foyer unserer Schule zur Verfügung gestellt. Zweimal hatten wir von außerhalb Experten eingeladen, von denen der eine ein kleines Honorar erhielt; der andere wollte nur die Fahrtkosten erstattet haben. Die Fahrkosten übernahm der Kirchenkreis, das Honorar die Schule. Vor etwa einem Jahr haben wir damit begonnen, mit dem Team nach einem GoSpecial essen zu gehen. Bis jetzt konnte das Essen von der Kollekte, die während des Gottesdienstes eingesammelt wurde, bestritten werden. Wir waren mit jungen Leuten auf Willow Creek Kongressen, haben in Hessen und Baden-Württemberg Gemeinden besucht, die einen ähnlichen Gottesdienststil haben wie wir, um uns dort Ideen und Motivation zu holen. Die Kosten dafür haben wir zum großen Teil selber bezahlt. Zu den Kongressen konnten nicht immer alle Interessenten mitfahren, weil sie nicht genügend Geld hatten. In den letzten Sommerferien haben wir ein GoSpecial-Fest gefeiert. Ich würde auch mal gerne mit dem Team eine Wochenendfreizeit durchführen, aber auch das kostet Geld. In den Herbstferien war ich mit meiner Familie auf der Insel Usedom im Urlaub. Von dort aus sind wir nach Greifswald gefahren, um einen GoSpecial-ähnlichen Gottesdienst zu besuchen, der von dem dortigen Theologie-Professor Dr. Michael Herbst und seinem Team durchgeführt wird. Was mir am meisten in Erinnerung geblieben ist, ist die phantastische Dekoration. So was haben wir noch gar nicht. Wenn wir es machen würden, dann bräuchten wir jemanden, der es verbindlich übernimmt und auch jemanden, der die Deko-Sachen bezahlt. In Saarbrücken-Klarenthal gibt es einmal im Monat einen gut besuchten sog. Alternativen Gottesdienst, bei dem es anschließend ein Mittagessen gibt. Das Mittagessen muss gemacht werden und es kostet Geld. Vielleicht hat der eine oder die andere von Ihnen noch eine Idee, wie man unseren GoSpecial verbessern könnte, oder was Sie in Ihrer Gemeinde machen könnten. Wenn Sie es wirklich umsetzen wollen, ist eines jetzt schon klar: Es wird Sie was kosten: Zeit, Geld oder oft genug auch Nerven. Aber es könnte Ihr Leben auf der anderen Seite auch reich machen. Es könnte Ihrem Leben vielleicht eine neue Dimension an Sinn geben. Diese Arbeit hätte vielleicht im Licht der Ewigkeit gesehen mehr Bestand als anderes. Sie könnten vielleicht erleben, dass Gott für Sie des Himmels Fenster öffnen und Segen auf Sie herabschütten könnte die Fülle. Sie könnten vielleicht erleben, was der Herr Jesus in der sog. Feldrede im Lukasevangelium sagt (6,46): „Gebet (und ich füge in Klammer hinzu: Zeit, Geld oder auch Nerven) und es wird euch gegeben.“ Amen. Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn.



[1] Bigger, Leo, Geheimnis Heiliger Geist. Wie jeder die göttliche Kraft nutzen kann, Zürich 2006, 87f.

[2] Hybels, Bill, Mutig führen. Navigationshilfen für Leiter, Asslar 2002, 117.